Das Schöpferische in der Veeningarbeit

AFA – FACHTAGUNG 2014
TAGUNGSTITEL: ATEMQUELLEN – DAS GEMEINSAME FINDEN

Das Schöpferische in der Veeningarbeit

Bettina v. Waldthausen

 

Ich freue mich sehr, am Ende dieser Tagung noch etwas zur Arbeit meines Lehrers Cornelis Veening zu sagen, denn Veening war der Lehrer von drei Atemschul – Gründerinnen: Ilse Middendorf, Herta Richter und Irmela Halstenbach. Damit hat Veening eine Arbeit in Gang gesetzt, die es verdient, bei unserm Tagungsthema „Atemquellen – das Gemeinsame finden“ genannt zu werden. Ich selbst habe Veening – ähnlich wie Herta Richter – erst in der Spätzeit seines Lebens kennen gelernt. Vom Wein heisst es, dass die Spätlese eine ganz besondere Qualität hat, und es waren in der Tat für mich 7 prägende und besondere Jahre. Aber man kann diese Arbeit nicht erklären wollen, über die Veening selbst einmal sagte, dass sie durch und durch schöpferisch sei. Ich hoffe, Sie erwarten das auch nicht von diesem Vortrag.

Ganz ähnlich wie Ludwig Schmitt, dem anderen grossen Lehrer von Herta Richter, den Veening übrigens trotz einer ganz anderen Arbeitsweise sehr zu schätzen wusste und von dem er einmal zu mir sagte „Ja, er war ein Magier und konnte heilen“ ( das gleiche galt übrigens auch für Veening), war es stets Veenings Anliegen, das Selbstständige und die Individualität seiner Schüler zu fördern – und nicht eine feste Methode. Das ist wohl auch der Grund, warum wir heute ganz unterschiedliche Ausdrucksformen in der Veeningarbeit nebeneinander stehend finden, die sich jedoch auf eine eigenartige Weise in sich ergänzen.
Zitat Veening. ..dass Sie für die Arbeit, die Sie erfahren haben, ihre Libido zur Verfügung stellen, dass es I h r e Arbeit ist, nicht meine. [1]

Für diesen Vortrag hat mich die Frage beschäftigt, ob Veening Vorbilder für seine Arbeit hatte oder ob sie sich ganz aus der eigenen Quelle entwickelte: Dieser freie „Atemaufbau der Inneren Gestalt“ wie Herta Grun, seine Nachfolgerin es benannte, der so eng mit den Leibräumen und der inneren Wirbelsäule verbunden ist und mit all den sich daraus ergebenden Differenzierungen und Schichtungen, – geistig-seelisch, psychisch, vital, organisch, nervlich, stoffwechselmässig, – und den wir alle in unterschiedlicher Form weitergeben und benutzen als einen Grundbaustein der Veening -Atemarbeit.

Die andere Frage, die sich mir stellte: Was würde Veening zu der heutigen Entwicklung sagen? Was wäre ihm wichtig? Natürlich lässt sich das nur sehr subjektiv beantworten, doch das ist ganz im Sinne des Schöpferischen. Im Grunde ist es eine Frage, die wir uns alle am Ende stellen könnten, w a s nämlich unsere eigenen Lehrer von damals an der heutigen Entwicklung interessieren würde….

Ich versuche mich zu erinnern

Da ist zuerst die hohe Präsenz seiner Ausstrahlung, die einen berührte, sobald man Veenings Arbeitszimmer betrat und in deren Gegenwart alle vorherigen Fragen unerheblich wurden oder sich zum Wesentlichen hin veränderten, ähnlich wie es auch Herta Richter in ihrem Buch „Der Atem – das Leben“ beschrieben hat. Die Gedanken rutschten einfach auf eine andere Ebene, auf die das spaltende Denken keinen Zugriff hatte. Ich möchte vorsichtig sagen: in den Wiederanschluss an ein Herzdenken.
Über das Herz sagt Veening: Die Herzkraft hat Strahlkraft. … Das Seltsame ist, dass es sowohl trägt, als auch getragen wird. [2]

Veenings Hände waren breit, gütig, bestimmt und wissend, und man empfand sofort ein tiefes Vertrauen, sich einzulassen. In unseren Stunden wurde nie viel gesprochen. Aber die wenigen Worte waren für mich – besonders am Anfang – wie eine Rätselsprache oder ein Koan. Sie waren tief, bildhaft, einprägsam. Seine Schülerin Elke Prägert nannte sie „Samenworte“ – wie Samen, die in einen dunklen Boden fielen und erst nach einer Zeit zu keimen begannen, bis irgendwann – waren es Monate, manchmal Jahre – aus dem Keim die Blüte wurde und Erkenntnis die Frucht war.

Ein solches Samenwort war zum Beispiel: Dem Unausweichlichen gewachsen zu sein. Ganz gleich, wie das Unausweichliche aussieht, wie und wo es einem begegnet, wie es einen ansieht und anspricht. [3]

Oder: Eine gute Stunde ist wie ein Arbeitsmandala, wobei die Mitte Leer bleibt. Dort kann es geschehen, dort können die eigenen Kräfte wirksam werden, und hier ist die Leere nicht leer sondern eine Fülle der Möglichkeiten.[4]

Veening arbeitete aus dem schöpferischen Moment und aus einem tiefen Leibwissen. Es war seine große Begabung, dass er das mit jedem Menschen anders und auf seine Weise tat, entsprechend der Thematik, der Entwicklung und dem Lebensweg des Menschen. Mit dem einen redete er kaum, mit dem andern ausgiebig. Über Psychologie und Philosophie, über persönliche Themen, aber auch über Kleider und ganz Alltägliches. Er trug mit unendlicher Geduld die vielen Partnerschaftsprobleme seiner Patienten. Wenn Veening es für notwendig hielt, eine Projektion des Ichs zu enttarnen, kam es bisweilen zu schmerzlichen Erfahrungen , und hier konnte Veening dann auch durchaus streng sein.
Seine Behandlungs – Arbeit habe ich immer als beides zugleich erlebt, persönlich und unpersönlich – oder besser überpersönlich. Und Veening verstand es w i r k l i c h meisterhaft, den Menschen an die Quellen seiner tiefen Lebens – und Liebeskraft zurückzuführen, von wo aus der Mensch diese leib-seelische Erfahrung bewusst anschauen und ins Leben nehmen konnte.

Er war ein Intuitiver und zugleich ein Praktiker. Er sprach von einem schauenden Denken und von einem klaren, unterscheidenden Bewusstsein, das nicht haftet an Projektionen und Wunschdenken, und das abwarten kann….bis die Dinge sich zeigen und die Antwort aus der eigenen Tiefe entsteht. Und es wäre schön, wenn wir an dieser Stelle dies schauende Denken gemeinsam für einen Moment in die Stille nehmen könnten, – einen kleinen Moment nur .. es zusammen versuchen. ….
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Schöpferische Vielfalt

Veenings Patienten kamen aus den unterschiedlichsten Kreisen und Berufen. Es waren Schauspieler, Sänger, Musiker, Industrielle, Therapeuten, die diese neue Arbeit kennen lernen wollten – oder einfach: Menschen auf dem Entwicklungsweg. Eines Tages, so berichtete mir ein junger Mann, der Veening sehr verehrte, verließ eine aufgebrachte und reichlich aufgetakelte Gesellschafts-Dame Veenings Behandlungszimmer. „Was will d i e Person in Ihrer Arbeit“ entfuhr es dem jungen Mann ganz entsetzt. „Die einen gieren nach Geld, die andern nach Spiritualität“ antwortete Veening. Der junge Mann war still.
In den Berliner Nachkriegsjahren, als Veening an der Kirchhoff-Schauspielschule unterrichtete, erarbeitete er mit den Schauspielern den Goldenen Schnitt auf der Bühne, der nur möglich wird, wie er sagte, in einer (erfühlten) Verbindung zur Erde und zum Kosmos. Eine Schülerin berichtet aus dieser Zeit: „Jede Stunde fragt er nach neuen Eindrücken. Er fragt: was ist jetzt? Was steht in dir auf? Hast du Bilder? Hast du Farben? Nimm deine Räume wahr und liebe dein Sein.“ [5]

Im Gesangsunterricht liebte Veening, der ja selbst Sänger war, ganz besonders den Klang des Sternums [6] und eine weiche frei fliessende natürliche Atmung, eher aus dem Rücken kommend und ganz anders als der Spannungsatem und die „Zwerchfell-Stütze“ , welche die offiziellen Gesangstechnik vorschrieb. Mit seinem Schüler, dem Musiker Florian Fricke sprach Veening in der letzten Stunde über „den heilenden Ton“ an der Stirn. [7] Und in seinen Kursen ließ er die Teilnehmer im Anschluss gerne innere Bilder zeichnen als schöpferischen Ausdruck ihrer erlebten Erfahrung.

Der Atem und die Kräfte

Veening lehrte aus der Intuition und aus der Präsenz seiner Seele, die einen natürlichen Zugang zur Bilder- und Traumsprache des tiefen Unbewussten hatte. Ich möchte, dass Sie sich ein Bild machen, eine Erfahrung bekommen. Die Arbeit muss bildekräftig werden, das Bild muss blühen…nicht gedacht werden, sondern gelebte Erfahrung…hörte man ihn sagen. [8] Er lehrte nie mit Methode sondern über Erfahrung, und den Atem, mit dem er arbeitete, bezeichnete er als den „inneren seelischen Atem“. [9] Denn Atem war für Veening beseelter Ausdruck des großen Schöpferatems, den Gott uns eingehaucht hat und die Quelle, die unser innerstes Sein nährt. Aber Atem war auch die vitale Kraft, die Wurzel, die unser vitales – und soziales Leben ausmacht. Diese Kräfte zu beleben und ins Bewußtsein zu bringen und zu erkennen : Was gehört zu mir? Was bin ich? Was nicht? Und : Wo lebt in mir dieses Ich schon – und wie ? Und wo bin ich noch vollkommen unbewusst? Das waren Veenings Anliegen.

Seine Arbeit führte über die Wahrnehmung und Stärkung der persönlichen Kräfte, die wir erst einmal brauchen für einen gesunden Umgang mit den Fragen des ganz alltäglichen Leben, direkt in die Natur des Selbst. Aus dieser Perspektive gewinnt das Leben dann einen neuen Sinn, nicht nur in Bezug auf Vergangenes wie der tiefere Sinn von durchlebtem Leid, sondern auch in Bezug auf das Zukünftige. Denn das Selbst – oder die Seele [10] gibt uns Mut für neue Visionen und stärkt unser Bewusstsein für die Sinnhaftigkeit dessen, was uns wirklich nährt und trägt und warum wir hier sind.

Zum Handwerk dieser Arbeit

Veeningarbeit ist aber nicht nur intuitiv. Sie besitzt auch ein klares Handwerk in Form des Atemaufbaus, den Veening in seinen Kursen lehrte und der die Grundlage der Gruppenarbeit ist und in ganz verschiedener Weise, entsprechend dem persönlichen Weg – von Veenings Schülern in der Arbeit weitergegeben wurde und wird. Herta Grun, die sehr viel nach Veenings Tod dazu beigetragen hat, diesen Aufbau zu formulieren, sagt in einem Interview mit Irmgard Lauscher-Koch: Unsere Arbeit ist ein Handwerk, und wird von einer sehr differenzierten Wahrnehmung gespeist. Und an anderer Stelle : Der Atemaufbau ist das Vehikel, wie die Leinwand für den Maler. [11]

Obwohl also ein Handwerk, muss der Atemaufbau der aufsteigenden Lebenskraft in seiner inneren Anordnung immer wieder von neuem erarbeitet werden. Er ist das Geländer, mit dessen Hilfe sich die verschiedenen Kraftfelder, die in der Arbeit entstehen und die sich oft spontan zeigen, einordnen und unterscheiden lassen. Mehr noch: in der Verbindung der Räume zu den Organen und den inner-sekretorischen Drüsen, die im rückläufigen Atem, der über die Wirbelsäule führt, angeregt werden, ordnet sich auch das vegetative Nervensystem, das seine Impulse an das Gehirn weitergibt und so indirekt die Stoffwechselvorgänge im Körper reguliert und die Psyche beeinflusst.
Dazu sagt Heyer 1962: Veeningarbeit hat das, was heute als Leib-Seele – Einheit oder Psychosomatik genannt wird, schon vor Jahrzehnten in Angriff genommen. [12]
Und passend an dieser Stelle beschreibt Margit Seeling im letzten AFA-Heft das polyvagane Nervensystem und verweist in diesem Zusammenhang auch auf ihre Erfahrungen in der Veeningarbeit. [13]

Biografisches

Aus Zeitgründen möchte ich hier nur knapp auf ein wichtiges Ereignisse in Veenings Leben eingehen, das wahrscheinlich maßgeblich für ihn und die Entwicklung seiner Atemlehre war.
Nach einer 5- jährigen misslungenen Freudschen Analyse (Anlass: Stimmstörung) trifft Veening mit ca 30 Jahren seinen späteren Förderer, den Arzt und C.G. Jung Psycho-therapeuten G. R. Heyer und wird sein Patient. Für Heyer, der sich schon lange mit der Verbindung von Seele und Körpermedizin beschäftigte und sich in diesem Zusammenhang auch für östliche Körperkünste und Philosophie interessierte, war Veening sehr willkommen; umgekehrt hat Heyers Interesse Veenings Atemforschung ganz sicher unterstützt, zumal auch Heyers Frau Lucy Atemtherapeutin war. Mehr über Veenings Biografie finden Sie in dem in dem Aufsatz von Cornelia Ehrlich: Veening in seiner Zeit. [14]

1933 – Veening war damals 38 Jahre alt – und ich nehme an, dass er zu dieser Zeit bereits die Grundlagen seiner Arbeit gefunden hatte, nahm er auf Einladung von Heyer mit diesem zusammen als Zuhörer auf der Eranostagung in Ascona teil, wo sich damals die geistige Elite der Zeit traf (C.G. Jung, Heinrich Zimmer, Richard Wilhelm ect.) und wo der Sinologe Erwin Rousselle einen Vortrag über „Seelische Führung im Taoismus“ hielt. [15] Dazu hatte er aus China das Bild der „Gewebetafel“ [16] mitgebracht, welches später in Veenings Arbeitszimmer hing und das in einer symbolhafter Bildsprache die Wege des inneren Atemkreislaufs zeigte .

Was für Veening wahrscheinlich entscheidend war: Rousselle verknüpfte in diesem Vortrag die uralte taoistische Meditationspraxis mit einer „alchemystischen Psychologie“, ein klarer Hinweis auf die Psychologie von C.G. Jung. Er sprach in diesem Zusammenhang auch von einer „Archaischen Anatomie“ des Leibes und der „ psychischen Repräsentanz der Organe“. Worte, die später auch in der Veeningarbeit auftauchen. Neben der Verbindung Niere-Nabel, Niere Herz benennt Rousseau auch die Verbindung Niere-Keimdrüsen und das „Tor des Lebens“ zwischen den Nieren auf Höhe des Sonnengeflechts und schafft so die Verbindung von Psyche und Leibwissen, nach dem auch Veening gesucht hatte und die das bestätigte, was ihm seine innere Führung in Traumbildern gezeigt hatte, und was auch zur Heilung seiner Stimmstörung geführt hatte. [17]

Dazu zitiere ich Rousselle aus Beschreibung des Atem – Weges: „Der Atem entfaltet systematisch die ganze Psyche des Menschen, stellt den Zusammenhang zwischen Bewusstem und Unbewußtem her, hebt die Inhalte des letzten ins Licht des ersten und gestaltet eine neue ganzheitliche Persönlichkeit, die mit allem in sich, in den Mitmenschen und dem Kosmos verbunden ist“ (Anmerkung: Das im Text benutzte Wort Meditation habe ich hier durch das Wort Atem ersetzt).  [18]

Ferner erwähnt der Meditationstext zwei Arten von „Seele“, die niedere und die bewusste Seele. die wir bei Veening als das „Kleine Ich “ und das „Große Ich“ wiederfinden. Die „niedere Seele“ wohnt im Text im unteren Raum zwischen Nabel und Nieren. Die Quelle der „bewussten Seele“ dagegen ist im Herzen, dem Ort des Grossen Ich oder des Selbst. Der Leib gibt dazu die vitale Kraft, die über den rückläufigen Atemkreislauf gewandelt wird und den geistigen Menschen erzeugt. Es ist „ein Wirken, ohne wirken zu wollen“ sagt Rousselle……

Das Ganze wirkt heute wie eine Vorausschau der Veeningarbeit. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass Veening – anders als die asiatischen Praktiken, die stets eine vorgegebene feste Form praktizieren [19] – die freie Form wählt, in der sich der Atemaufbau jedes Mal neu aus der Tiefe schöpft und vollziehen muss. Das Element der Begegnung zwischen den Kräften des tiefen Grundes oder der untersten Seinskraft – wie Veening die untere Atemquelle auch nennt – und den Höheren Bewusstseinskräften der Seelenführung wird hier zum Agens, das den Prozess in Gang setzt. Die beiden Gegensatz – Pole finden schließlich zusammen im Raum des Herzens, dem Ort „der bewussten Seele“ , bei Veening „das Sein“. Die ganze Gestalt des inneren Aufbaus entfaltet sich dabei ähnlich wie in einer Bachfuge, wo das untere Thema immer wieder mit der oberen Stimme zusammen schwingt -und auseinander läuft und schließlich sich eint. [20][21].

Den Herzpunkt hinter dem Brustbein nannte Veening „den schöpferischen Punkt.“ [22] Ich verstehe darunter ein anderes Schöpferisches als das, was gemeinhin mit der schöpferischen Kraft assoziiert wird. Dieses hier gehört der „Wesensnatur“ an .Vielleicht ist es auch das, was Veening als das „Bewirkende“ bezeichnet hat. Das, was im Herzen ruht und jetzt zum Träger einer neuen Kraft wird, die uns zutiefst mit uns selbst, der sozialen Welt unserer Beziehungen u n d mit dem Kosmos zusammen atmen lässt . Eine moderne Psychologie der Seele. Mit Seele meine ich hier das, was uns von innen nährt, was unsere wahren Wurzeln sind und uns den eigentlichen Lebenssinn gib, und zwar völlig frei von jeder religiösen Zuordnung. Ich meine damit auch, die lebendige Atemschwingung als Erfahrung in jeder Zelle zu spüren.
Veening : was wir in der Atemarbeit tun, ist Belebung … und genauer gesagt: seelische Belebung. [23]

Ausklang

Ich habe Ihnen hier hoffentlich etwas von den Quellen und Hintergründen aufzeigen können, aus denen Veening seine Arbeit entwickelt hat und fasse zusammen:

  1. Veenings frühe Erfahrung in Jungscher Psychologie durch die Begegnung mit Heyer und das Interesse Heyers an einer „atmenden Psychologie“
  2. Der Vortrag von Erwin Rousselle
  3. Und schließlich: Veenings eigene schöpferischen Bildekraft und Intuition, die ihn leitete und begleitete.

Von Herta Grun wissen wir, dass Veening sich in seinen letzten Jahren aus der engen Bindung an die Psychologie gelöst hat [24]. Trotzdem blieb er dem Menschenbild C.G. Jungs zeitlebens verbunden und die Jungsche Psychologie diente ihm als Geländer zur Orientierung auf dem Weg in die Tiefe , so wie das auch Irmela Halstenbach über ihre Arbeit heute sagt, wenn sie über sie spricht [25].

Aber Veening wäre nicht Veening gewesen, wenn er allen dasselbe empfohlen hätte. Und so gibt es eine nicht geringe Zahl von Patienten, mit denen Veening über ganz andere Kanäle gearbeitet hat . Zu ihnen zählte auch Herta Richter, wie Sie im Vortrag von Dieter Mittelstenscheidt gehört haben, – und übrigens auch ich selbst. Im tiefen Vertrauen auf das Bewirkende und in Ehrfurcht vor der jeweiligen Andersartigkeit eines jeden Menschen , so beschrieb es Hildemarie Streich, eine alte Schülerin, ermutigte Veening jeden, den eigenen Wege zu gehen [26]. Das war das Außerordentliche an diesem grossen Lehrer, der nie festhalten wollte, obgleich ihn die Menschen sehr verehrten. „Das muss wirklich losgelassen werden, dann kann es auch leben“, sagte er am Ende eines der letzten Kurses. [27]

„Die Dinge lösten sich von selbst und auf andere Weise.“ schreibt Herta Richter über ihre Begegnung mit Veening. Dieses …Lösen der Dinge von selbst… möchte ich gerne Veenings Anbindung an eine seelische Führung und seelische Tiefe zuschreiben, die nur ein sehr entwickelter und in sich verbundener Mensch besitzt. Auf dieser Ebene, die Veening das“ Sein“ oder „die Seinskraft“ nannte, besitzt das Bewusstsein Heilkraft. Hier können Unbewußtes und Bewußt-Sein in einem kohärentem Feld zusammen schwingen, in dem sich auch das Bewußtseinsfeld des Patienten neu ordnen kann. Solche Dinge fände ich interessant und ein forschenswertes Thema für unsere neuen Studiengängen. Marco Bischof [28] hat in dieser Hinsicht ja schon eine Vorarbeit geleistet und einiges dazu veröffentlicht.

Veeningarbeit heute

Was hätte Veening heute bewegt? Wäre er die verschiedenen Wege der neuen Therapierichtungen mitgegangen? Zur Urschrei-Therapie von Janov, die in den 70er Jahren aufkam, sagte er nur: „Ja, …wenn es mit Liebe geschieht…“ [29]

Veeningarbeit heute als feste Form gibt es nicht. Was die einzelnen Schulen und Richtungen unterscheidet, sind die Schwerpunkte, mit denen die Arbeit weitergegeben wird und in denen sich die gelebte Erfahrung und der verscheidene individuelle Hintergrund des Einzelnen spiegelt.

Und schauen wir auf das Programm zur Feier des 10-jährigen Bestehens von VAVE, das in diesem Sommer stattfindet, so gibt es dort einen bunten Generationen-Strauss und viel Freude. Neben Atemanleiten und Behandlung gibt es dort Heilendes Tönen, Atem und Bogenschießen, Labyrinth-Begehung, Musizieren mit Flöte und Saxophon, Atem und Naturspaziergänge, Atem und Tanz usw. Klingt das vertraut? Wir alle ergänzen uns – gemäss dem Schöpferischen Prinzip in der Vereinigung der Gegensätze. Und ich möchte schließen mit dem schönen englischen Satz: Welcome the Differences.

Ich schliesse aber auch in grosser Achtung vor der Aufgabe, die sich die AFA mit dem Uniprojekt gestellt hat. Auch wenn die Veeningarbeit sich darin nicht finden kann, bin ich der festen Überzeugung, dass wir dieses Projekt brauchen, um den Wert unserer Atemarbeit auf breitere Füsse zu stellen. Sie verdient es, und wir TherapeutInnen verdienen es auch! Eine Wunschidee wäre, dass die beiden Zweige, – der wissenschaftliche und der schöpferische – , auch in Zukunft im Dialog miteinander bleiben und sich ergänzen wie zwei Pfeiler, die eine Brücke stemmen. Vielleicht kann es ja in Zukunft Projekte geben, die wir zusammen auf den Weg bringen: Forschungsprojekte, Gesundheitsprojekte, Lebens-Projekte oder anderes…. Wir wären dabei! Mit ganz herzlichem Dank an den Vorstand und die Organisation dieser reichen Tagung. Danke!

 

 

  1. Scheveningen 1975. Aufzeichnung einer Kursteilnehmerin
  2. Scheveningen 1975. Aufzeichnung einer Kursteilnehmerin
  3. Praegert, Elke. Samenworte. Unveröffentlichtes Manuskript.
  4. Veening, Cornelis. Das Bewirkende. Vortrag von 1947; Atemweisen (2013)
  5. Schulze Bernd, Ortrud. Eine bewegte Arbeit von 30 Jahren; Atemweisen (2013)
  6. Streich, Hildemarie. Brief an I. Werckmeister1996; Atemweisen (2013)
  7. Fricke, Florian. Über den heilenden Ton; Atemweisen (2013), Ferner: Das Alphabet des Körpers (2014)
  8. Veening, Cornelis. Scheveningen. Aufzeichnung einer Kursteilnehmerin.
  9. Veening. Cornelius. Vortrag für Heilpraktiker; Atemweisen(2013
  10. Galuska, Joachim. Das Transpersonale in der Psychotherapie. Über die Seele und das Selbst.
    Vortrag Akademie Heiligenfeld (2002)
  11. Lauscher – Koch, Irmgard. Interview mit Herta Grun.; AFAhefte 2/ 2002.7
  12. Heyer, Gustav Richard. Grabrede für Margarete Mhe
  13. Seeling, Margit: Atem, Trauma und die Polyvagane Theorie;atem die zeitschrift2014/2
  14. Ehrlich, Cornelia. Veening in seiner Zeit;Atemweisen (2013)
  15. Rousselle, Erwin. Taoistische Seelenführung; Eranos – Jahrbuch 1933
  16. Gewebetafel Nei Ging Tu. Aus dem Kloster der Weissen Wolke in Peking
  17. Rousselle, Erwin. Taoistische Seelenführung; Eranos – Jahrbuch 1933.
  18. Rousselle, Erwin. Taoistische Seelenführung; Eranos – Jahrbuch 1933. Seite 139 ff
  19. Yoga, Chi-Gong, Tai-Chi u.a.
  20. Waldthausen, Bettina. Kleine Anregung zum persönlichen Umgang mit der taoistischen Gewebetafel Atemweisen (2013).
  21. Siehe dazu auch Lauscher-Koch, Irmgard. Bilder der taoistischen Gewebetafel; Atemweisen (2013)
  22. Veening, Cornelis. Scheveningen 1975. Aufzeichnung einer Kursteilnehmerin
  23. Veening, Cornelis. Vortrag für Heilpraktiker.; Atemweisen (2013)
  24. Lauscher- Koch, I. Interview mit Herta Grun. AFAhefte 2/ 2002.7
  25. Halstenbach, Irmela. Im persönlichen Gespräch. Vgl. auch Halstenbach, Irmela; Atemwege im Unbewussten . Zur Tiefenpsychologischen Atemarbeit von Cornelis Veening. Jung-Journal 11 /12 ; Ferner: Wie der Apfelbaum wächst ;Atemweisen (2013) . Ferner: Atemholen aus der Tiefe (2008)
  26. Streich, Hildemarie. Brief an Inge Werckmeister1996. Atemweisen (2013)
  27. Scheveningen 1976. Aufzeichnung einer Kursteilnehmerin
  28. im persönlichen Gespräch
  29. Bischof, Marco. Somatische Intelligenz(1999); Ferner: Neue Gesundheitskonzepte und der Paradigmenwechsel in der Wissenschaft (2000)

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